Anmerkungen zum Jugendstrafrecht

Für Jugendliche gilt das sog. Jugendgerichtsgesetz (JGG)

Jugendliche sind gemäß dem JGG Personen zwischen 14 und 18 Jahren.

Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und entsprechend zu handeln. Ob eine solche „Reife“ vorliegt, muss das Gericht ausdrücklich in jedem konkreten Einzelfall feststellen.

Bei Straftaten durch sog. Heranwachsende (18 bis unter 21 Jahre) muss das Gericht prüfen, ob es Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht anwendet.  Das hängt z. B. davon ab, ob das Gericht sog. „Reifedefizite“ oder  „jugendtümliche  Züge“, eine „typische Jugendverfehlung“ o.ä. annimmt.

Das Gericht hat insoweit gemäß §105 JGG eine sog. „Gesamtwürdigung der Persönlichkeit…..“ vorzunehmen.

Das Erwachsenenrecht und Jugendstrafrecht unterscheiden sich vom Grundsatz her erheblich. Im Jugendstrafrecht steht der sog. Erziehungsgedanke im Vordergrund.

Die Anwendung des JGG ist vom Grundsatz her für den Angeklagten günstiger.

So kann das Gericht z. B. davon absehen, dem Angeklagten die sog. „Kosten des Verfahrens“ aufzuerlegen.  Das bezieht sich zwar nicht auf die Kosten des Verteidigers, kann sich aber dennoch erheblich auswirken, da ja auch die Zeugen Kosten (Verdienstausfall, Reiskosten o.ä.) verursachen, beim Gericht Kosten (Gebühren, Ermittlungskosten o.ä.) entstehen, etc.

Die meisten Strafen werden im Jugendstrafrecht nicht in das sog. Führungszeugnis aufgenommen, beispielsweise Bewährungsstrafen von nicht mehr als zwei Jahren. Das kann selbstverständlich bei einer Bewerbung entscheiden, ob man die Arbeit bekommt.

Auch im sog. Bundeszentralregister werden nicht alle Strafen eingetragen.

Im Strafverfahren gegen Jugendliche bzw. Heranwachsende ist die sog. Jugendgerichtshilfe  – an meinem Kanzleisitz beim Kreisjugendamt Rosenheim – mitbeteiligt.  Die Jugendgerichthilfe hat z. B. in der sog. Hauptverhandlung die Möglichkeit, sich zu äußern und dem Gericht sogar eine Strafe – z. B. eine „angemessene Arbeitsauflage“ – vorzuschlagen. Die Jugendgerichtshilfe lädt den Jugendlichen/Heranwachsenden in einem Schreiben zu einem Gespräch ein.

Ich empfehle meinen Mandanten in der Regel, dem auch zu folgen und das ernst zu nehmen. Denn die Aussage der Jugendhilfe kann u. U. das Gericht entscheidend beeinflussen. Das Gericht hört sich genau an, was die Jugendgerichtshilfe sagt. Allerdings rate ich dem jeweiligen Mandanten in den meisten Fällen, sich gegenüber der Jugendgerichtshilfe nicht zur Sache bzw. zum Tatvorwurf, sondern nur zu seiner persönlichen Situation, Umfeld, Schule, Ausbildung, familiäre und wirtschaftliche Situation, zu seinen Zielen u.a. zu äußern.

Das Gericht hat im Jugendstrafrecht einen größeren Spielraum als im Erwachsenenstrafrecht.

Es kann z. B. eine sog. Verwarnung aussprechen.

Es kann eine sog. Auflage – z. B. die Ableistung gemeinnütziger Arbeit, Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten einer gemeinnnützigen Einrichtung, Wiedergutmachung des entstandenen Schadens etc. – anordnen.

Es kann einen sog. Jugendarrest mit verschiedener Dauer (Kurzarrest, Freizeitarrest, Dauerarrest) aussprechen.

Das Gericht kann aber auch eine sog. Jugendstrafe aussprechen. Unter den Voraussetzungen des §21 JGG kann das Gericht die von ihm ausgesprochene Haftstrafe zur „Bewährung“ aussetzen.

Nach meiner persönlichen Erfahrung als Verteidiger lassen sich im Jugendstrafrecht mehr „Pluspunkte“ als im Erwachsenenstrafrecht sammeln. Diese Gesichtspunkte müssen dem Gericht natürlich vor Augen geführt werden.

  • Mangelnde Vorstrafen
  • Ernsthafte/glaubhafte Entschuldigung beim Geschädigten (z. B. beim Verletzten oder Bestohlenen)
  • Schadenswiedergutmachung
  • Regelmäßige Arbeit /Ausbildung bzw. konkrete Ziele
  • Beeindruckende Wirkung des Ermittlungsverfahrens auf Angeklagten
  • Tat nicht langfristig geplant, Kurzschlusshandlung
  • Bereitschaft, Arbeitsauflagen o.ä. nachzukommen
  • Ehrliche Reue, z. B. im sog. „letzten Wort“

Nach meiner Erfahrung darf man in dem Zusammenhang auch das Auftreten des Jugendlichen vor Gericht nicht unterschätzen. Das Gericht hat seine Würde, die man wahren sollte. Ordentliche Kleidung, Pünktlichkeit, Höflichkeit, ordentliche Haltung etc. sollten selbstverständlich sein.

Solche „Kleinigkeiten“ sind m. E. noch wichtiger, wenn die Sache vor dem Jugendschöffengericht verhandelt wird. Da hat man es nämlich – neben dem Berufsrichter – mit zwei sog. Laien (zumeist ein Mann und eine Frau) zu tun, die kein juristischen Studium absolviert haben.

Solche Laien schauen nach meiner Auffassung viel mehr auf diese „Kleinigkeiten“, obwohl die ja an sich mit der rechtlichen Lage nichts zu tun haben.  Denn man darf nicht vergessen, dass auch der Eindruck, den der Angeklagte nach außen macht, in irgendeiner Form seinen Niederschlag in der Höhe oder Art der verhängten Strafe wiederfindet.

Es gibt ja Fälle, wo der Mandant genau auf der Kippe zwischen Haftstrafe und Bewährungsstrafe steht. Da können möglicherweise solche „Kleinigkeiten“ bewirken, dass das Pendel zugunsten des Angeklagten ausschlägt. Ebenso kann ein schlechtes Benehmen des Angeklagten dazu führen, dass das Pendel zu seinen Ungunsten fällt.

Meine Ausführungen zum Jugendstrafrecht stellen keine Rechtsauskunft dar und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Sie sollen lediglich einen ersten Eindruck zum Thema verschaffen.